Doch eines wissen wir: ein Tinnitus ist nie das Hauptproblem, sondern immer Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung oder Hörschwäche.
Daher ist es wichtig, dass Sie einen Tinnitus ungeachtet der Ausprägung in jedem Fall ernst nehmen und einen HNO-Arzt aufsuchen. Dieser kann professionell die möglichen Ursachen sowie Ausprägung und Schweregrad diagnostizieren. Doch wie soll man etwas messen, das in den meisten Fällen nur von den Betroffenen selbst wahrgenommen wird? Davon handelt Teil 2 der Artikelreihe „Tinnitus – Ursachen und Therapien“ (zum subjektiven Tinnitus siehe auch Teil 1 dieser Artikelserie „Tinnitus – ein Begriff, viele Bedeutungen“).
Ist Tinnitus messbar?
Vorab: Auch der subjektive Tinnitus ist messbar. Der menschliche Körper ist ein bis ins Detail ausgeklügeltes System. Kaum etwas passiert darin ohne Grund. Hören Sie also ein Klimpern oder Pfeifen im Ohr, dann gibt es dafür auch eine gute Erklärung. Ist diese gefunden, kann mit der richtigen Therapie Ihre Lebensqualität zielgerichtet verbessert werden. Für die Diagnose folgen wir meist einem 3-Schritte Programm.
1.) Medizinische Untersuchungen
Medizinische Ursachen für den Tinnitus abzuklären verfolgt gleich zwei wichtige Ziele. Zum Einen können Erkrankungen ausgeschlossen werden. Zum einen ist da der psychologische Nutzen. Jeder möchte Gewissheit. Sind die medizinischen Ursachen bekannt oder können Erkrankungen ausgeschlossen werden, entspannen sich viele Patienten. In vielen Fällen wird dadurch der Tinnitus sogar bereits gelindert. Als zweites ist logischerweise der therapeutische Nutzen zu nennen. Erst, wenn wir die Ursache kennen, kann der Tinnitus zielgerichtet behandelt werden. Oft verursachen Ohrerkrankungen oder Hyperakusis einen Tinnitus.
2.) Audiometrische Untersuchungen
Schwerhörigkeit und Tinnitus sind ein oft gesehenes Pärchen. In vielen Fällen sitzt nämlich die Ursache für beide Symptome an ein und derselben Stelle: im Innenohr. Dort befinden sich die Haarzellen. Sie haben die Aufgabe, durch Schallwellen ausgelöste mechanische Reize in elektrische Impulse umzuwandeln und über die Nerven an das Gehirn weiterzuleiten. Werden diese wichtigen Zellen zum Beispiel durch starken Lärm beschädigt, brauchen die Haarzellen etwa zwei Tage, um zu regenerieren. Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor. Nach einem Konzertbesuch haben Sie für kurze Zeit das Gefühl, schlechter oder nur sehr dumpf zu hören. Das liegt dann daran, dass sich Ihre Haarzellen erholen müssen.
Manchmal ist der Schaden allerdings so groß, dass sie sich nicht erholen. Jede Haarzelle ist für bestimmte Frequenzen zuständig. Sind sie beschädigt, können die jeweiligen Frequenzen gar nicht mehr, oder nur sehr eingeschränkt wahrgenommen werden. Doch das Gehirn wartet weiterhin auf die Signale der beschädigten Zellen. Bleiben die aus, versucht das Gehirn, das auszugleichen. Auf lange Sicht trickst das Gehirn durch diesen Regulierungsmechanismus jedoch sich selbst aus. Das Resultat ist eine Art Rückkopplung, die man als Phantomgeräusch oder als Tinnitus wahrnimmt. Ein Audiogramm (Hörtest) gibt Aufschluss über eine Hörschädigung und somit auch die Ursache des Tinnitus.
3.) Psychologische Messinstrumente
Das Gehirn spielt demnach eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Schwerhörigkeit und schließlich eines Tinnitus. Besonders das limbische System ist hier zuständig. Ganz stark vereinfacht gesagt, ist das der Sitz unserer Emotionen. Leider kommt es hier zu einer unvorteilhaften Spirale. Besonders negative Emotionen verstärken den Tinnitus. Das wiederrum führt zu einer gesteigerten Wahrnehmung des Tinnitus und einem zunächst unbewussten Anstieg an negativen Emotionen gegenüber dem Tinnitus. Sind daher Emotionen im Spiel, so müssen wir auch immer eine psychologische Variable unsere Gleichung einbauen.
Doch etwas so subjektives lässt sich nur schwer über Lautstärke, Frequenz oder etwa medizinische Befunde messen. Daher haben Forscher einen Fragebogen entwickelt mit dem der Schweregrad des Tinnitus und seine Folgen für den Alltag der Patienten ermittelt wird.
Klassifizierung des Tinnitus
Basierend auf diesem Fragebogen, der in einem persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patienten zum Einsatz kommt, wird der Tinnitus in vier Schweregrade unterteilt. Diese Unterteilung ist essentiell für die darauf folgende Behandlung. Welche Tinnitus Grade gibt es? Warum sind sie entscheidend für die Art der Behandlung? Diese Fragen werden hier beantwortet.